Beschwerde der Jüdischen Stimme gegen Polizeigewalt und Diskriminierung
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Beschwerde der Jüdischen Stimme gegen Polizeigewalt und Diskriminierung

In unserer Stellungnahme zur Demonstration am 12. Mai in Berlin-Neukölln "Raise Your Voice to #SaveSheikhJarrah, #FreeGaza" haben wir über die empörende Polizeigewalt, diskriminierende Behandlung und offensichtlich rassistisches Profiling berichtet. Auf Grund der beschriebenen Ereignisse haben wir eine Beschwerde über die Ausübung von nicht zu rechtfertigender Gewalt und diskriminierender Behandlung seitens der Polizei bei der Beschwerdestelle der Polizei eingereicht. Darüber hinaus haben wir eine Beschwerde über Diskriminierung an die LADG-Ombudsstelle eingereicht. 

Wie wir schon berichtet haben, die bei unserer Demonstration anwesende Berliner Polizei agierte mit Provokation, Brutalität und Gewalt, die gewollt und eindeutig politisch motiviert zu sein schien. Es stellt sich die Frage, wer die Polizei angewiesen hat, einen von Jüd:innen und Palästinenser:innen gemeinsam organisierten Protest zu behindern, und warum? 

Rassismus und Racial Profiling scheinen bei der deutschen Polizei weit verbreitet und stehen im Einklang mit der andauernden Kriminalisierung von Solidarität und zivilen Aktionen für die palästinensischen Menschenrechte sowie anderer von Migrant:innen geführter autonomer sozialer Bewegungen. 

Die zunehmende Polizeigewalt gegen Demonstrationen von Migranten und Flüchtlingen in Deutschland erinnert an die Gewalt, die in Situationen von Krieg und Kolonialisierung erlebt wurde. Am 1. Mai ließ das Verhalten der Berliner Polizei Neukölln wie ein Kriegsgebiet erscheinen. Wir fordern die Polizeiführung und das Berliner Innenministerium auf, ihre Politik und Praxis dringend zu ändern und die Freiheiten der Rede, der Meinungsäußerung und der Versammlung zu schützen. 

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Polizei Berlin

Zentrale Beschwerdestelle

Beschwerde gegen die Berliner Polizei wegen ihrer nicht zu rechtfertigenden Gewalt und diskriminierenden Behandlung bei der Demonstration am 12. Mai 2021 in Berlin-Neukölln

Sehr geehrte Damen und Herren,

Die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V. hat für den 12. Mai eine Demonstration vor dem Rathaus Neukölln in Berlin angemeldet. Uns schlossen sich die Gruppen "Palästina spricht – Palestine Speaks" und "Jüdischer Antifaschistischer Bund" an.

Als Menschenrechtsorganisation, die sich für den Frieden im Nahen Osten einsetzt, haben wir zu dieser Demonstration aufgerufen, um unsere Ablehnung gegenüber den schweren Menschenrechtsverletzungen, Bombenanschlägen und anderen Formen der Gewalt auszudrücken, die derzeit in Palästina und Israel geschehen. Die Demonstration brachte palästinensische, jüdische und andere Bewohner*innen Berlins zusammen. Einige der Teilnehmenden haben in den letzten Tagen Familienangehörige in Gaza verloren.

Bei der Demonstration haben wir unangemessene Polizeigewalt und diskriminierende Behandlung gegenüber den Teilnehmenden erlebt. Wir haben auch aggressives Verhalten persönlich gegen uns als Organisatorinnen erlebt.

Bei der Demonstration haben wir nicht zu rechtfertigende  Polizeigewalt und diskriminierende Behandlung auf mehreren Ebenen erlebt:

  1. Die Polizist*innen sind gewaltsam und in großen Gruppen immer wieder von außen in die Demonstration eingedrungen und haben dabei jeweils einen telnehmende Person weggezerrt. Als offizieller Grund wurde die angebliche Missachtung der Corona-Regeln genannt oder gar keine Gründe. Allerdings waren alle von der Polizei mitgenommenen Personen junge nicht weiß-deutsche Männer mit nahöstlichen Hintergrund, obwohl sich in der Demonstration Menschen unterschiedlicher Identitäten befanden und die Einhaltung der Corona-Regeln insgesamt hervorragend war. Dieses gezielte Vorgehen gegen junge Männer of Color - von denen die meisten nachweislich Masken trugen - war allem Anschein nach rassistisch motiviert. Wir haben auch aggressives Verhalten gegen uns als Organisator*innen erlebt.


  2. Als wir darum gebeten haben, mit einem Kommunikationsteam zu sprechen, wurde uns gesagt, dass es ein solches Team nicht gibt. Als wir versuchten, mit einem Polizeibeamten zu sprechen, sagte er "Ich weiß es nicht, ich war nicht bei der Besprechung". Unsere Vorstandsvorsitzende kam mit ihrem Enkelkind und musste die Demonstration aufgrund von Polizeigewalt verlassen. Abgesehen von dem provokanten Verhalten der Polizei verlief die Demonstration völlig friedlich und sicher für die Demonstrant*innen und Familien.

  3. Die Polizei brachte die Reden systematisch zum Schweigen und versuchte, die Demonstration aus unklaren Gründen zu untergraben. Die Polizei spielte ihre lautstarke Aufzeichnung von Corona-Regeln und Protestverordnungen immer genau in dem Moment ab, in dem ein*e Redner*in zu sprechen begann. Es ist unmöglich, dass dieses Timing zufällig war - es passierte immer wieder, bei allen Redebeiträgen. Die Rednerin, welche im Namen unserer Organisation “Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost” sprach, wurde dreimal unterbrochen. Redner, die schmerzhafte Geschichten über ihre in den vergangenen Tagen getöteten Familienmitglieder erzählten, wurden ebenfalls von der polizeilichen Tonanlage zum Schweigen gebracht. Die Durchsagen zu den Corona Regeln wurden gebetsmühlenartig abgespielt, obwohl wir, die Organisator*innen, permanent als Ordner*innen durch die Menge gelaufen sind, um freundlich daran zu erinnern und um einer Eskalation durch die Polizei entgegenzuwirken.

  4. Sowohl im Vorgespräch als auch vor Ort haben wir, die Organisator*innen, mehrfach darum gebeten, uns Zeit zum Handeln zu geben, sollte Bedarf entstehen und unsere Rolle als Veranstalter*in und Ansprechpartner*innen ernst zu nehmen. Wir haben die offizielle Kontaktperson der Polizei auch mehrfach gebeten, dass die Polizei erst auf uns zukommen möge, bevor sie interveniert, damit wir uns darum kümmern könnten. Dies wurde ignoriert.


Am 14 Mai veröffentlichte die Gewerkschaft der Polizei - GdP Berlin eine Stellungnahme zu der Demonstration [https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/2021/pressemitteilung.1085116.php ]. Die Foto- und Videodokumentation der Veranstaltung beweist zweifelsfrei, dass die Corona-Regeln eingehalten wurden, die Leute trugen fast durchgehend Masken und hielten Abstand. Erst die Polizei machte es unmöglich Abstand zu halten, wenn sie in die Menge rannte und Menschen gewaltsam schubste und anrempelte.

Wir sehen das rechtswidrige und unverschämte Verhalten der Polizei bei dieser Demonstration als einen Angriff auf die Rede-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Das Verhalten der Polizei stellt in unseren Augen einen rassistischen und diskriminierenden Angriff auf das palästinensische und jüdische Gemeinschaftsleben in Berlin dar. Wir bitten um umfassende Aufklärung aller in Betracht kommenden Delikte.