Hetz-Pamphlet der Göttinger Rechtsanwältin F. Oldenburg: Erwiderung
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Hetz-Pamphlet der Göttinger Rechtsanwältin F. Oldenburg: Erwiderung

Wir fordern vom Parteivorstand der Freien Demokraten sowie von der Bundestagsfraktion der FDP:

  1. Sich öffentlich von dem nicht substantiierten, hetzerischen Vorbringen der Göttinger Rechtsanwältin, Ratsfrau und Fraktionsvorsitzenden F. Oldenburg, zu distanzieren.

  2. Ausdrücklich zu bestätigen, dass die Partei sich konsequent für die Verwirklichung der Grundrechte und politischen Freiheiten einsetzt.

  3. Nachdrücklich zu erklären, dass Funktionsträgerinnen und -träger aus den eigenen Reihen sich jeder Form der verfassungswidrigen politischen Zensur auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene widersetzen.


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Hetz-Pamphlet der Göttinger Rechtsanwältin F. Oldenburg


 gegen die


 Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e. V. - EJJP


anlässlich ihrer Auszeichnung mit dem Göttinger Friedenspreis


 Erwiderung


Die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost - EJJP Germany e. V. (JS) weist die diffamierenden Vorwürfe der Göttinger Fraktionsvorsitzenden und Stadtratsfrau der FDP, Rechtsanwältin F. Oldenburg, in aller Form zurück.

Wir freuen uns über die Auszeichnung mit dem diesjährigen Göttinger Friedenpreis der Stiftung Dr. Roehl und sehen darin eine Würdigung unseres Engagements für die universellen und unteilbaren Grund- und Menschenrechte.

Im Folgenden nehmen wir Stellung in Erwiderung auf ein Hetzpamphlet über unsere Organisation und Arbeit, in dem F. Oldenburg unter dem Motto "Kein Friedenspreis an BDS" die Präsidentin und die Mitglieder des Präsidiums der Georg-August-Universität Göttingen, den Oberbürgermeister von Göttingen sowie Mitglieder des Aufsichtsrats der Sparkasse in Göttingen auffordert, die Auszeichnung zu widerrufen und den Preis nicht an die JS zu verleihen.

Erschrocken und befremdet fragen wir uns, mit welcher Befugnis die Rechtsanwältin und Fraktionsvorsitzende der FDP es wagt, unsere jüdische Identität in Frage zu stellen? Wir werden selbstverständlich unsere Schwesterorganisationen in Europa, Nordamerika, Südafrika und Australien darüber informieren, dass Rechtsanwälte in Deutschland sich wieder aufschwingen zu entscheiden, wer jüdisch ist und wer nicht. So bezichtigt Oldenburg unsere eigenen Mitglieder ebenso wie die unserer europäischen Schwesterorganisationen - darunter noch Überlebende des Holocaust und viele direkte Nachkommen - "jüdisch" getarnt "unter falscher Flagge zu segeln".

Da sind wir wieder: Eine deutsche Anwältin und Politikerin will entscheiden, wer als jüdisch gilt. "Segeln unter falscher Flagge"...? War nicht schon im Dritten Reich zu hören, dass Juden sich nach außen zwar als friedliebend und rechtschaffend zeigen, hinter ihren Bärten und unter ihrer Kopfbedeckung jedoch ihre angeblichen konspirativen Pläne und Machtansprüche verheimlichen? Unter welcher Flagge wäre die Jüdische Stimme der Fraktionsvorsitzenden der FDP genehm? Gibt es "den Juden", wie von der Politikerin suggeriert, überhaupt? Sprechen alle Juden in derselben Art und Weise? Wie könnte anderenfalls eine "falsche" jüdische Stimme von einer "echten" unterschieden werden? Oder sind alle Juden gehalten, so zu sprechen, wie es der Göttinger Stadtratsfrau gefällt?

Auch werden wir international darüber informieren, dass Repräsentanten der Freien Demokratischen Partei in Deutschland dazu übergehen, den im Namen des Antisemitismus an den Juden verübten Genozid zu verharmlosen und den gegenwärtigen Rassismus der hiesigen Alt- und Neonazis zu vertuschen. Wer die Jüdische Stimme des Antisemitismus bezichtigt und diesen gar mit dem Judenhass der deutschen Nationalsozialisten vergleicht, instrumentalisiert den Holocaust bewusst für andere Zwecke, bagatellisiert das Geschehene und leistet aktuell demokratiefeindlichen und rassistischen Nationalisten Vorschub.

Wir finden es unsäglich, dass die FDP-Fraktion in Göttingen die Geschichte der jüdischen Mathematikerin Emmy Noether (1892-1935) missbraucht, um Druck auf die Georg-August-Universität auszuüben, den Friedenspreis nicht an die JS zu vergeben. Emmy Noether musste 1932 aus ihrer Wohnung ausziehen, weil die Turnerschaft Albertia das Haus erworben hatte und darin keine Jüdin mit linker Gesinnung duldete. 1933 gehörte sie zu den ersten, die aus der Universität verwiesen wurden. Emmy Noether war eine Jüdin, die sich über ihre geniale fachliche Tätigkeit hinaus für Gerechtigkeit einsetzte. Sie wäre uns heute als Mitglied sehr willkommen.

Die Forderung, der Rechtsanwältin, wir mögen uns von der im Jahre 2002 in Amsterdam gegründeten Föderation "European Jews for a Just Peace" (EJJP) lossagen, deren Gründungserklärung, neben dem Selbstverständnis und der Satzung, erklärtermaßen zu den Grundlagen der Arbeit unseres Vereins zählt, ist übergriffig und haltlos. Sie grenzt zudem an politische Zensur und ist von Seiten einer Partei, die liberale Demokraten hinter sich scharen will, wiederum mehr als befremdlich. Oldenburg nimmt offenkundig Anstoß an unserer bloßen Existenz und schätzt uns so gering, dass sie meint, Hetze allein reiche schon, um die Würdigung unseres Engagements mit dem Göttinger Friedenspreis zu vereiteln.

Das Vorbringen der Rechtsanwältin ist in keinem einzigen Punkt mit Fakten substantiiert. Wir verstehen jetzt am eigenen Leibe, was gemeint ist, wenn von postfaktischen Populismus die Rede ist.

Bemerkenswert ist, dass die Repräsentantin einer im bundesdeutschen Politiksystem seit vielen Jahren um ihre Existenz ringenden Kleinpartei uns und unserem Dachverbund EJJP vorwirft, "eine völlige (sic!) Minderheitsmeinung" zu vertreten, wenn wir gegen die Politik der israelischen Regierungen opponieren (nicht wenige Mitglieder unserer Organisation sowie viele der mit ihr Sympathisierenden gehören zu den 30 000 Israelis, die erst jüngst nach Deutschland emigrierten). Es trifft durchaus zu, wir diskreditieren das militärische Besatzungsregime der Regierungen Israels und fordern seine Aufhebung. Der Schluss jedoch, wir seien daher extremistisch und israelfeindlich, geht ins Leere.

Landraub und Siedlungspolitik, die Trennmauer auf besetztem palästinensischen Territorium, politisch gewollt undefinierte Grenzen (jeder Staat der internationalen Gemeinschaft ist durch die Grenzen seines Hoheitsgebiets definiert), ungleiche Rechte für jüdische und palästinensische Bürgerinnen und Bürger, bis hin zur Versagung jeglicher Staatsbürgerschaft für unzählige Palästinenser, werden von den Vereinten Nationen, vom Internationalen Gerichtshof und von weiteren wichtigen Organen und Organisationen der internationalen Völkergemeinschaft seit langem ausdrücklich als Verletzungen des internationalen Rechts angemahnt, die von den Regierungen des Staats Israel zu verantworten und völkerrechtsverbindlich zu beenden sind.

Die politischen Positionen der Jüdischen Stimme sind ausgewiesen und nachweislich durchgängig völkerrechtlich gedeckt! Es mutet schon seltsam an, wenn eine bundesdeutsche Rechtsanwältin so ahnungslos, unwissend und leichtfertig mit internationalem und nationalem Recht umspringt. Alles vorgeblich im Interesse des Rechtsstaats hierzulande? De facto instrumentalisiert Oldenburg auch dieses kostbare Gut der Bundesrepublik Deutschland und ordnet es ihrem inhaltsleeren Interesse unter, wutschnaubend gegen unsere Vereinigung zu hetzen.

Wir fragen uns, ob die Fraktion der Freien Demokraten ernsthaft beabsichtigt, Göttinger Bürgern und Bürgerinnen das Recht auf Meinungsfreiheit zu versagen oder ob vielleicht nur Juden und Jüdinnen in Göttingen, in Deutschland oder gar in ganz Europa keine Meinungsfreiheit haben dürfen?

Die falsche Behauptung, die internationale gewaltfreie BDS-Bewegung (für den Friedensnobelpreis nominiert) sei antisemitisch, weisen wir ebenfalls in aller Schärfe zurück. Die Jüdische Stimme hat bei ihrer Gründung und wiederholt danach öffentlich erklärt, dass sie mit Feinden des Staats Israel nichts gemein hat. Wir kritisieren die Politik der Regierungen Israels scharf, wir solidarisieren uns mit dem palästinensischen Volk, das um die Verwirklichung seiner Selbstbestimmung in einem eigenen souveränen Staat auf integriertem Hoheitsgebiet in sicheren Grenzen auf der Basis gutnachbarschaftlicher und dauerhaft friedlicher Beziehungen zum Staat Israel mit Jerusalem als geteilter Hauptstadt beider Staaten ringt. Wir setzen uns für die Grund- und Menschenrechte sowohl der Israelis als auch der Palästinenser sowie aller Menschen weltweit ein.

Anders als es der militaristische Zungenschlag der Göttinger Rechtsanwältin suggerieren will, verstehen wir uns nicht als "BDS-Truppe" und handeln auch nicht unter dem "falschen Anstrich" eines "Orwell'schen Tarnnamen ... 'Jüdische Stimme'".

Wir sind die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost! Und wir machen sehr bewusst von unseren Grundrechten und politischen Freiheiten Gebrauch, wenn wir dem Aufruf der nunmehr über 50 Jahre unter der israelischen Militärbesatzung lebenden palästinensischen Zivilgesellschaft folgen und die internationale Bewegung "Boycott, Divestment, and Sanctions" (BDS) punktuell unterstützen.

Die BDS-Kampagne wurde 2004 an der Universität Birzeit in der Westbank von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern initiiert, denen vom israelischen Besatzungsregime die Ausreise zur Präsentation ihrer wissenschaftlichen Ergebnisse und zum wissenschaftlichen Austausch willkürlich immer wieder untersagt worden war. Am 9. Juli 2005 unterzeichneten mehr als 170 Organisationen und Verbände der palästinensischen Zivilgesellschaft den Aufruf zu einer internationalen, gewaltfreien Bewegung, die so lange aufrechterhalten und propagiert werden soll, bis Israel sich an internationales Recht hält. Insofern hat Israel es in der Hand, die BDS-Bewegung von heute auf morgen legal zu beenden.

Wir fordern vom Parteivorstand der Freien Demokraten sowie von der Bundestagsfraktion der FDP:

  1. Sich öffentlich von dem nicht substantiierten, hetzerischen Vorbringen der Göttinger Rechtsanwältin, Ratsfrau und Fraktionsvorsitzenden F. Oldenburg, zu distanzieren.

  2. Ausdrücklich zu bestätigen, dass die Partei sich konsequent für die Verwirklichung der Grundrechte und politischen Freiheiten einsetzt.

  3. Nachdrücklich zu erklären, dass Funktionsträgerinnen und -träger aus den eigenen Reihen sich jeder Form der verfassungswidrigen politischen Zensur auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene widersetzen.