Zur Absage der Ausstellung von Breaking the Silence in Köln
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Zur Absage der Ausstellung von Breaking the Silence in Köln




Herrn
Oberbürgermeister Roters

Stadt Köln

Sehr geehrter Herr Roters,

Medienberichten in Deutschland und Israel konnten wir entnehmen, dass Sie sich für die Absage der Ausstellung von Breaking the Silence in Köln entschieden haben. Die offizielle Begründung dafür sei, diese Ausstellung passe nicht zu den Feiern des Jubiläumsjahres der diplomatischen Beziehung zwischen Israel und Deutschland.

Dies deutet darauf hin, dass Sie diese Feierlichkeiten lieber eher unkritisch betrachten wollen und damit aber gleichzeitig und unausweichlich mit unseren Steuergeldern eine Verstärkung der „silence“ fördern. Als jüdische deutsche StaatsbürgerInnen bzw. Juden und Jüdinnen, die hier im Lande Steuern zahlen, protestieren wir gegen die Förderung undemokratischer Werte und Vorgehensweisen.

Breaking the Silence ist eine israelische Organisation, die das Vorgehen der israelischen Armee in den besetzten palästinensischen Gebieten dokumentiert. Sie versteht sich – was in deutschen Augen komisch sein mag – als unpolitisch, da sie weder von den SoldatInnen einfordern, für ihre Taten Verantwortung zu übernehmen, noch zu einer Verweigerung des Militärdienstes aufrufen. Die Bedeutung und Stärke der Organisation liegt darin, dass TäterInnen von ihren Verbrechen berichten. Das entzieht der mit viel Aufwand verbreiteten Propaganda des israelischen Staatsapparates den Boden. Deshalb versucht die israelische Botschaft in Deutschland, wie auch in der Schweiz, solche Organisationen gerade im Ausland mundtot zu machen. In Israel werden Menschenrechtsorganisationen wie Breaking the Silence verfolgt, ihnen wird Betrug und „Nestbeschmutzung“ sowie Selbsthass vorgeworfen. Somit soll die Mehrheit der jüdisch-israelischen Bevölkerung nur weiter in ihrer ohnehin schon leider überwältigenden Zustimmung für die aggressive und destruktive Politik Israels bestärkt werden.

Das 50-jährige Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel war Anlass für viele Veranstaltungen in der Republik. Anders als die Stadt Köln trauten sich andere Veranstalter, diese auch kritisch zu betrachten, wie z.B. Deutschlandradiokultur, das von der großen Auswanderung von Israel nach Deutschland berichtete. Das duldet die israelische Botschaft natürlich noch. Wenn allerdings die Verbrechen der israelischen Besatzungsmacht von dem Besatzer selbst freiwillig aus Schuld und Scham zugegeben werden, widerspricht dies dem angestrebten Idealbild von Israel, das anscheinend nicht nur die israelische politische Klasse, sondern auch ein Teil der deutschen propagieren will.





Israel ist auf einer undemokratischen Struktur gegründet: Seit seiner Gründung vor 67 Jahren besteht ein Ausnahmezustand im Lande. Pressefreiheit wird zensiert, eine interreligiöse Eheschließung ist unmöglich, Schulen bekommen Boni je nach dem Prozentsatz der SchülerInnen, die nach dem Schulabschluss Kampfeinheiten im israelischen Militär beitreten, und Universitäten erstatten dem Inneren Sicherheitsdienst Bericht über die politischen Einstellungen ihren AbsolventInnen. All das wäre im heutigen Deutschland aufgrund der hierzulande herrschenden Strukturen unvorstellbar. Wenn es aber um Israel geht haben Sie anscheinend Angst, diese Strukturen zu zeigen, selbst wenn sie von jüdischen Israelis – wie Breaking the Silence – angeprangert werden.

Sie begründen Ihre Entscheidung mit der Angst, eine solche Ausstellung könnte antisemitische Reaktionen hervorrufen. Damit opfern Sie die Wahrheit und Meinungsfreiheit auf dem Altar Ihrer Angst. Angst jedoch war und ist in vielen totalitären Systemen das ultimative Mittel, Menschen zum Schweigen zu bringen. Auch wenn die Ausstellung Auslöser für antisemitischen Reaktionen gewesen wäre: Denken Sie wirklich, dass ein Verbot eine gute Reaktion auf diese Angst bzw. ihre mögliche Erfüllung gewesen wäre? Haben Menschen mit antisemitischem Gedankengut nun keinen Anlass mehr zu denken, dass „der Judenstaat“ (zu) viel Macht über deutsche Politiker ausübt?

Genau solche undemokratischen Verbote lassen Juden und Jüdinnen einerseits als eine einheitliche, angeblich in ihrem Verhalten immer ideale Gruppe erscheinen, die andererseits – wie viele VerschwörungstheoretikerInnen glauben – viel Macht über die Politik ausübt. Die brutale Politik Israels ist in Zeiten des Internets längst kein Geheimnis mehr: Eine einfache Googlesuche bringt die Homepage von Breaking the Silence als eines der ersten Ergebnisse zum Vorschein. Ihre Absage erachten wir daher eher als einen sehr bedauerlichen Beitrag zu antisemitischem Gedankengut als das von ihnen beabsichtigte Gegenteil dessen.

Wir rufen Sie demgemäß dazu auf, Ihre Fehlentscheidung zu revidieren.

Mit freundlichen Grüßen,

Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost
Iris Hefets, im Namen des Vorstandes