Annexion und Kolonisierung von Land unter dem Deckmantel von “jüdischem Erbe”
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Annexion und Kolonisierung von Land unter dem Deckmantel von “jüdischem Erbe”

10.10.2014

Annexion und Kolonisierung von Land unter dem Deckmantel von “jüdischem Erbe” - Nicht in unserem Namen

Dem 53 Tage währenden Angriff auf den Gazastreifen, von Israel Operation „Fels in der Brandung“ genannt, folgte ein weltweiter Aufschrei gegen die exzessive Gewalt des israelischen Militärs. Die israelische Regierung sieht sich nun vonseiten der internationalen Gemeinschaft mit Forderungen nach Gerechtigkeit und der Übernahme von Verantwortung konfrontiert. Innerhalb Israels wird hingegen eine Intensivierung der Gewalt gefordert. Die israelische Regierung zeigt sich nicht gewillt, die legalen, politischen und moralischen Konsequenzen, die sich aus der Invasion des Gazastreifens ergeben, zu übernehmen und hat stattdessen unilateral Schritte unternommen, die schleichende Annexion des Westjordanlands voranzutreiben. Damit sendet sie der Welt ein klares Signal, dass sie kein Interesse an der Gründung eines palästinensischen Staates hat. In der Tat hat Premierminister Netanyahus Rede vor den Vereinten Nationen am 29. September einmal mehr gezeigt, dass die Regierung keinerlei Pläne hat, Frieden zu
erreichen oder internationales Recht einzuhalten. Vielleicht hat Netanyahu gehofft, ISIS und den Iran anzuprangern würde die Welt von Israels Kriegsverbrechen ablenken.

Jedoch sagen Taten mehr als Worte. Die Schritte, die die israelischen Regierung zur weiteren Festigung der Besatzung des Westjordanlands vorgenommen hat, waren (1) die Deklarierung von 380 Hektar palästinensischen Landes im Westjordanland als „Staatseigentum“, womit das genannte Gebiet von den ansässigen Palästinenser_innen ethnisch gesäubert und die Errichtung illegaler Kolonien vorangetrieben werden kann; und (2) die Erteilung der Erlaubnis an die Stiftung Ir David („Davidstadt“, in Israel als „Elad“ bekannt), 25 Wohnungen in sieben Gebäuden in Silwan, einem palästinensischen Viertel in Ostjerusalem, zu übernehmen. Kolonist_innen sind von bewaffneten israelischen Streitkräften begleitet in diese Wohnungen eingedrungen.
Diese beiden Taten treiben einen Keil durch das Westjordanland und verhöhnen die Behauptung der israelischen Regierung, sie sei an Friedensverhandlungen interessiert. Stattdessen demonstrieren sie die selbst auferlegte Hingabe und Vehemenz, mit der die israelische Regierung sich territorialer Erweiterung verschrieben hat.

Die Stiftung Ir David ist eine Nichtregierungsorganisation (NGO), die von der israelischen Regierung stark unterstützt und finanziert wird. Sie wurde 1986 mit dem Ziel gegründet, „die jüdische Verbindung zu Jerusalem für alle Generationen anhand von Touren, Unterricht, Bevölkerungszuwachs und Veröffentlichungen zu stärken. Des Weiteren sollen mittels Stipendien religiöse Studien gefördert werden sowie kulturelle Aktivitäten mit Bezug zu Jerusalem und jüdischen Werten; ebenso sollen jüdische Institutionen in Jerusalem und Touren in der Stadt unterstützt werden.“ Die Bezugnahme dieser NGO auf das Judentum stellt eine gefährliche und inakzeptable Verbindung zwischen dem Judentum und der rechtsextremen und rassistischen Politik der israelischen Regierung in Ostjerusalem her – eine Politik, deren Ziel die Veränderung der demographischen Natur der Stadt Jerusalem ist.

Der Stiftung Ir David wurde erlaubt, Touren für Schulkinder und israelische Soldat_innen im besetzten (und seit 1980 illegal annektierten) Ostjerusalem durchzuführen. Dafür erhielt sie öffentliche Gelder. Zusätzlich erhält die Stiftung private Spenden von Einzelpersonen wie Roger Hertog. Obwohl das Budget von Ir David größer ist als das der sieben größten linken und für Menschenrechte arbeitenden NGOs in Israel zusammengenommen, hat die Stiftung vom israelischen Justizministerium eine Sondergenehmigung bekommen, um ihre Finanzberichte nicht vollständig publizieren zu müssen. Somit kann sie undurchsichtig bleiben. Die Stiftung Ir David benötigt diese Undurchsichtigkeit, die ihr hilft, die Natur und das Ausmaß ihrer Aktivitäten zu verbergen. Viele dieser Aktivitäten werden mit der Finanzierung der Regierung unternommen und verletzen internationales Recht.

Die Übernahme von Wohnungen und Gebäuden von deren palästinensischen Besitzer_innen in Ostjerusalem durch Ir David erfolgte durch eine Kombination von Zwangsausübung, der Verwendung von „archäologischen“ Ausreden und dem Ankauf von palästinensischem Eigentum. Diese Übernahme ist Teil der illegalen Annexionspolitik der israelischen Regierung in Ostjerusalem sowie ihrer illegalen Kolonisierungspolitik des Westjordanlands und ist als offenkundiger Versuch anzusehen, die einheimische Bevölkerung der Stadt aus ihren Häusern und ihrem Zuhause zu verdrängen.

Als Juden und Jüdinnen lehnen wir die Rechtfertigung solcher illegaler und gewalttätiger Aktivitäten im Namen des Judentums entschieden ab. Als Deutsche und Europäer_innen rufen wir sämtliche europäische Regierungen dazu auf, die israelische Regierung für ihre Politik zur Rechenschaft zu ziehen, auch wenn sie diese Politik durch NGOs durchführen lässt, die als ihre Vertretung agieren. Die Europäische Union ist dazu verpflichtet, ihr ökonomisches Assoziierungsabkommen mit Israel an die Einhaltung von Menschenrechten und internationalem Recht zu binden. Eine unmittelbare Aussetzung des Assoziierungsabkommens wäre eine angemessene Reaktion auf die offensichtliche Missachtung von internationalem Recht und Menschenrechten.

Abschließend möchten wir hiermit unseren Aufruf an sämtliche europäische Staaten, insbesondere jedoch Deutschland, erneuern, den Verkauf von Waffen an Israel sofort einzustellen.

Shir Hever
Vorstand der jüdischen Stimme

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10.10.2014
Annexation and Colonization under the Guise of “Jewish Heritage” – Not in Our Name

After a 53-day assault against the Gaza Strip, named “Operation Protective Edge” by Israel, an outcry against the excessive violence of the Israeli military has been heard all over the world. The Israeli government finds itself surrounded by demands for accountability and justice from the international community, and by calls for intensification of the violence from inside Israel. Unwilling to face the legal, political and moral consequences of the invasion of Gaza, the Israeli government has taken unilateral steps in order to further its creeping annexation of the West Bank, thereby sending a clear signal to the world that it has no interest in allowing the foundation of a Palestinian state. Indeed, Prime Minister Netanyahu’s speech in the UN on September 29th further demonstrated that the government has no plans to pursue peace or to conform to international law. He was perhaps hoping that attacking ISIS and Iran would distract the world from Israel’s war crimes.
Actions speak louder than words, however. The steps taken by the Israeli government to further cement its occupation of the West Bank were (1) the declaration of 380 hectares of Palestinian land in the West Bank as “state owned”, thereby preparing the area to be ethnically cleansed of its resident Palestinians and promoting the establishment of illegal colonies there; and (2) permission of the Ir David Foundation (known in Israel as “Elad”) to take over 25 apartments in seven buildings in the Palestinian Silwan neighbourhood of East Jerusalem - colonists have entered apartments accompanied by armed Israeli forces. These two actions drive wedges through the West Bank, which make a mockery of the Israeli government claim that it is interested in peace negotiations. They demonstrate rather, the government’s commitment to territorial expansion.
The Ir David Foundation is a non-government organization (NGO) heavily supported and funded by the Israeli government. Founded in 1986, its goals are to “Strengthen Jewish ties to Jerusalem for all generations, by means of tours, instruction, population growth and publications. Scholarships for religious studies are to be promoted moreover, cultural activities on Jerusalem and Jewish values; assistance for Jewish institutions in Jerusalem and tours in Jerusalem are also being furthered.” The invocation of Judaism in this NGO action creates a dangerous and unacceptable connection between Judaism and the right-wing racist policies of the Israeli government, in East Jerusalem – policies, which strive to alter the demographic nature of the city.
Ir David Foundation has been allowed to organise tours for schoolchildren and Israeli soldiers in occupied (and illegally annexed since 1980) East Jerusalem, for which it has been remunerated with public funds. It also receives donations from private individuals, such as Roger Hertog. Despite having a budget larger than the combined budgets of Israel’s seven largest left-wing and human rights NGOs, Ir David Foundations has received special permission from the Israeli Ministry of Justice to remain opaque and not to publish its full financial reports. Ir David Foundation needs this opacity, which helps it conceal the extent and nature of its activities. Many of these activities are undertaken with government funding and violate international law.
The Foundation’s takeover of apartments and buildings in East Jerusalem from their Palestinian owners, by means of a combination of coercion, use of “archeological” excuses and by purchasing Palestinian property, is part of the illegal annexation policy of the Israeli government in East Jerusalem - part of its illegal colonization policy of the West Bank and a blatant attempt to push the indigenous population of the city out of their homes.
As Jews we strongly reject the notion that such illegal and violent actions can be justified in the name of Judaism. As Europeans we call on European governments to hold the Israeli government accountable for its policies, even when these are implemented by NGOs acting as proxies. The European Union is committed to base its economic Association Agreement with Israel on respect for human rights and international law. A proper response to the blatant disregard to international law and to human rights is the immediate suspension of the Association Agreement.
We also renew our call on European countries and especially on Germany to cease arms sales to Israel immediately.

 

Shir Hever
Executive Committee
Jewish Voice for a just Peace in the Middle East