die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ fordert Sie im Namen unserer Mitglieder auf, bestimmte Punkte aus dem Antrag vom 13.3.2018 „Antisemitismus in Thüringen konsequent bekämpfen“ zurückzuziehen
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die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ fordert Sie im Namen unserer Mitglieder auf, bestimmte Punkte aus dem Antrag vom 13.3.2018 „Antisemitismus in Thüringen konsequent bekämpfen“ zurückzuziehen

 

Sehr geehrte Abgeordnete der CDU, DIE LINKE, der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen in Thüringen,

In Ihrem Antrag behaupten Sie, die Aktivitäten der BDS (Boykott, Desinvestition, Sanktionen)-Bewegung seien „antisemitisch“, sehen sich aber nicht genötigt, diesen schwerwiegenden Vorwurf zu beweisen. Sie zitieren den renommierten Prof. Benz, liefern jedoch keine empirischen Nachweise, die dies belegen könnten. Sie unterlassen es sogar, darauf hinzuweisen, dass Prof. Benz selbst die BDS-Bewegung nicht allgemein als antisemitisch einordnet und sich positiv zur freien Meinungsäußerung pro-palästinensischer Wissenschaftler_innen positioniert hatte.

Ihre Unterstellung, die auf Ignoranz und Unkenntnis basiert, verleumdet viele unserer israelischen und jüdischen Mitstreiter_innen weltweit. Wir unterstützen als Organisation, die Teil der EJJP (European Jews for a Just Peace) ist und ebenso wie die USA-Organisation Jewish Voice for Peace, den BDS-Aufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft. Halten CDU, SPD, DIE LINKE, Bündnis90/Die Grünen diese fortschrittlichen jüdischen Organisationen mit Tausenden Mitgliedern für antisemitisch? Diese implizite Unterstellung verurteilen wir aufs Schärfste als grobe Diffamierung der palästinensischen Zivilgesellschaft und als Verharmlosung der deutschen Verbrechen an den Juden und Jüdinnen, zumal Sie gleichzeitig von einem „Verantwortungskonsens gegenüber der eigenen Geschichte“ sprechen.

Eine Boykottkampagne gilt als gewaltlose Möglichkeit einer demokratischen Bürgergesellschaft, Einfluss auf eine Politik zu nehmen, die sich nicht in der Lage sieht, den Konflikt zu lösen. Es ist kein Geheimnis, dass Israel, das sich seit seiner Gründung im Ausnahmezustand befindet, das Völkerrecht mit Füßen tritt, die Weltgemeinschaft dagegen aber so wenig tut, dass die Besatzung seit mehr als 50 Jahren besteht. Diese Politik Israels ist derart inakzeptabel, dass sogar deutsche Politiker wie Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker ebenso wie viele andere internationale Politiker_innen von Rang, Schriftsteller_innen und Philosophen zu Sanktionen gegen Israel aufrufen, um seine Besatzungs- und Siedlungspolitik zu stoppen. Halten Sie Helmut Schmidt und Richard von Weizsäcker für Antisemiten?

Die völkerrechtswidrige Besatzungspolitik durch Israel ist auch für viele israelische Mitbürger_innen nicht hinnehmbar. So initiierte die israelische „Frauenkoalition für Frieden“ das Projekt „Who Profits“ (Wer profitiert). Hier werden Informationen über israelische und internationale Firmen gesammelt, die von der Besatzung profitieren. Das Ziel der Organisation ist es, einen Stop von Investitionen in den besetzten Gebieten zu erreichen und gezielte Boykotte gegen ihre Verbrechen zu ermöglichen. Sind diese israelischen Frauen in Ihren Augen, also in den Augen einer christlichen, deutschen und demokratischen bzw. einer sozialdemokratischen oder gar einer linken Partei auch antisemitisch?

Das Grundgesetz in Art. 5 sowie das europäisches Recht respektieren und schützen die freie Meinungsäußerung. Dazu gehören auch Boykottaufrufe, wie sie das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Lüth-Urteil festgelegt hat.

Wir fordern Sie auf, dies zu respektieren und repressive Maßnahmen gegen die demokratische Grundordnung einzustellen. Als jüdische Menschen in Deutschland sehen wir eine besondere Gefahr in der Kriminalisierung der gewaltfreien und anti-rassistischen BDS-Kampagne und die damit einhergehende Einschränkung der politischen Meinungsfreiheit. Im Namen des Kampfes gegen Antisemitismus ein Verbot von BDS zu fordern, betrachten wir als zynisch und als eine fatale Störung des friedlichen Zusammenlebens aller Religionen und Ethnien in der Bundesrepublik.